Lauter Kleinkram
Der Nikolaus war gerade da, aber leider hat der gute Mann auch diesmal den Weg über den Channel nicht gefunden. Jedenfalls ist er den meisten britischen Kindern unbekannt. Trotzdem gibt es eine Variante des Brauchs, die Stiefel aufzustellen – in Gestalt der "Christmas Stockings", der weihnachtlichen Strümpfe, die an Heiligabend ans Kaminsims gehängt oder, was wesentlich einfacher zu bewerkstelligen ist, ans Fußende des Bettes gelegt werden. Sie dürfen am Weihnachtsmorgen noch vor der offiziellen Bescherung geleert werden. Die Frage, die sich Father Christmas oder aber seine Stellvertreter auf Erden, nämlich Eltern, jedes Jahr stellen, ist diese: Was soll denn da rein?
Nach alter Sitte muss auf jeden Fall eine Mandarine (Satsuma, Clementine ... Sie wissen schon) in den Socken, außerdem gehören Goldmünzen aus Schokolade dazu und vielleicht ein paar Nüsse. Alles Weitere ist dann Ansichts- oder Anspruchssache. Sogenannte "stocking fillers", kleine Geschenke, bilden um diese Jahreszeit ein eigenes Marktsegment. Je nach Alter des Empfängers kann das alles sein vom billigsten Plastikteil der Marke "Trostpreis vom Kindergeburtstag" übers Spielzeugauto, den Lipgloss oder den ersten Rasierer für Teenager bis zum edlen Schmuckstück für Erwachsene, die nicht ganz uneigennützig noch an den Weihnachtsmann glauben.
Eine besondere Herausforderung stellt die Suche nach dem Strumpfinhalt für jene Menschen dar, die sich vorher schon die Mühe gemacht haben, einen individuell gefüllten Adventskalender zu basteln. Da gehen einem schnell mal die Ideen aus und man landet meist doch bei Süßigkeiten, was in jedem Fall der Plastikware vorzuziehen ist und ja auch zur Jahreszeit dazugehört.
In manchen Familien in Großbritannien nimmt man übrigens einen Kissenbezug statt eines Strumpfes. Das ist gefahrlos möglich, denn anders als früher bestraft Father Christmas Maßlosigkeit nicht mehr, indem er nur einen Klumpen Kohle hineinlegt (das Äquivalent zur Rute, die in Zeiten der dunkleren Pädagogik bei uns üblich war).
Also, wir haben das Stiefelfüllen oder Stiefelaufstellen oder beides schon vollbracht und wünschen unseren britischen und irischen Freunden ein glückliches Händchen. Entscheidend ist ja, wie immer, der Gedanke. Im Zweifel einfach ein paar Schokomünzen mehr nehmen.
Sprachecke: Himmelsboten
"Hark! The Herald Angels sing" heißt eins der beliebtesten englischen Weihnachtslieder und ist, wenn wir Wikipedia glauben dürfen, eine Art Koproduktion aus Melodien von Bach, Mendelssohn-Bartholdy und anderen, auch der Text ist mehrfach überarbeitet und umgeschrieben worden. Der Refrain endet jetzt immer mit "Hark! The Herald Angels sing. Glory to the newborn King." Falls Sie sich fragen, was "Hark" heißt: Heute eher ungebräuchlich, bedeutet es: "hört zu!" oder "merkt auf!"
Aber eigentlich wollten wir über Engel sprechen, die ja um diese Jahreszeit besonders präsent sind. Das Wort "angel" und unsere Engel sind natürlich verwandt und stammen aus dem Altgriechischen; die ursprüngliche Bedeutung ist "Botschafter". Insofern sind die "Herald angels" aus dem Lied Boten-Botschafter und ein weißer Schimmel, aber wir wollen nicht kleinlich sein. Im frühen Englisch, so haben wir gelesen, wurde "angel" fast genauso ausgesprochen wie bei uns, mit hartem G, inzwischen ist das aber für den "angle" reserviert, den Winkel aus der Geometrie. Dass "England" nichts mit Engeln zu tun hat, sondern mit Angelsachsen, wussten Sie natürlich schon.
Engel kommen in vielen Kulturen und Religionen vor, nicht nur in der christlichen. Wie sie aussehen könnten, wenn sie sich überhaupt zeigen möchten, darüber haben sich Künstler über die Jahrhunderte Gedanken gemacht und sie als durchscheinende Lichtgestalten, als Erwachsene mit imposanten Flügeln oder als pausbäckige Putten porträtiert. Das Motiv des Engels, der auf Erden wandelt, um die Menschen auf den rechten Weg zu bringen, kommt auch in vielen Filmen vor. Ein besonders schöner und weihnachtlicher Klassiker ist "Jede Frau braucht einen Engel", zu Englisch "The Bishop´s Wife" mit Cary Grant und David Niven, zwei Hollywoodstars aus England.
In der englischen Alltagssprache tauchen Engel immer mal wieder auf. Eine bekannte Redewendung ist: "Fools rush in where angels fear to tread" – ausnahmsweise in der deutschen Version kürzer als in der englischen: Blinder Eifer schadet nur. "Be an angel", sei ein Engel, wird der Aufforderung, einem einen Gefallen zu tun, vorangestellt: "Be an angel and close the door". Leicht übertrieben vielleicht, aber wirksam! Der Begriff "little angels" für Kinder ist meist eher ironisch gemeint, wenn sie genau das eben nicht sind oder nur die Eltern sie dafür halten. Wer sich immer tadellos gegenüber seinen Mitmenschen verhält, ist "perfectly angelic" mit Betonung auf dem E.
Last noch least ein Ausflug ins Kulinarische: "Angel Food Cake" stammt aus Amerika und heißt deshalb so, weil er so gut wie kein Fett und Eigelb enthält, sondern überwiegend aus Eiweiß besteht. So dürfen wir uns beim Essen besonders tugendhaft fühlen (das Gegenstück ist Devil´s Food Cake mit Schokolade in rauen Mengen). Sollten Ihnen jemals "Angels on Horsebacks" begegnen, reitende Engel, so sind das gegarte Austern, umhüllt mit Speck. Die Finger lassen wir von Angel Dust, einer gefährlichen Droge. Sie Engelsstaub zu nennen, ist eine Frechheit. Teufelszeug würde besser passen.
Rezept des Monats: Birnen mit Toffeesauce
Lust auf ein etwas leichteres Dessert, ehe es so richtig losgeht mit den üppigen Genüssen? Dieses Rezept hat zudem den Vorteil, dass es leicht zuzubereiten ist und adventlich schmeckt. Also: 80 Gramm gehackte Mandeln ohne Fett anrösten, dann aus der Pfanne nehmen und beiseitestellen. Vier Esslöffel Butter mit 120 Gramm Zucker in einem Topf mit schwerem Boden schmelzen und karamellisieren lassen. Die Farbe soll schon ein bisschen dunkler werden. Von der Kochplatte nehmen, 50 Milliliter heißes Wasser und zwei Esslöffel Zitronensaft unterrühren. Vorsicht, es spritzt! Wieder auf den Herd stellen, 200 Milliliter Sahne dazugeben und bei schwacher Hitze köcheln lassen, dabei glattrühren. Mit etwas Zimt abschmecken und die Mandeln dazugeben. Das ist die Sauce. Nun sechs feste, aber reife Birnen (Williams ist eine gut geeignete Sorte) schälen und aufrecht in eine Auflaufform mit hohem Rand stellen. Sie sollten so dicht stehen, dass sie nicht umkippen können. Der Stiel darf ruhig dran- und das Kerngehäuse drinbleiben, wenn Sie aber möchten, können Sie die Birnen auch vorsichtig mit einem Apfelausstecher entkernen. Nun die Toffeesauce über die Birnen gießen und in den vorgeheizten Backofen (200 Grad) stellen. Die Garzeit beträgt etwa eine Dreiviertelstunde und endet, wenn die Birnen weich sind, aber noch nicht zerfallen. Das Rezept ist für sechs Leute gedacht und schmeckt auch mit Äpfeln (nehmen Sie dann aber eine herbe Sorte wie Boskoop). Vanillepudding oder -eis schmecken gut dazu.