Wie viel Arbeit braucht der Mensch
Wissen Sie, was die "Oxford hours" sind? Nein? Das ist ein Arbeitszeitmodell, das (nicht nur) Professoren gut bekommt: Man arbeitet morgens ein paar Stündchen, isst zu Mittag, ruht sich danach aus und setzt sich um etwa 16 Uhr nochmal hin, um wieder ein paar, aber nicht zu viele Stündchen zu arbeiten. Wahrscheinlich kommt das dem Lebensrhythmus vieler Menschen entgegen, vor allem in heißen Sommern und dunklen Wintern, allein: So sieht sie nicht aus, unsere Arbeitswelt. Heute weniger denn je und vermutlich nicht mal für Hochschulprofessoren im Schatten der "träumenden Türme" von Oxford.
Apropos: Nicht aus Oxford, aber immerhin aus Cambridge und Salford bei Manchester kommt eine gemeinsame, kürzlich veröffentlichte Studie rund um das Thema Arbeitszeit und deren Auswirkung auf die seelische Gesundheit, die einigen Wirbel gemacht hat. Vielleicht haben Sie davon gelesen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kommen nach Befragung von rund 70 000 Menschen über den Zeitraum von fast zehn Jahren – und das ist eine stattliche Stichprobe! – zu folgendem Ergebnis: Es tut uns nicht gut, überhaupt keine bezahlte Arbeit zu leisten. Aber acht Stunden reichen. Pro Woche! Das ist offenbar die Größenordnung, die dem Menschen am besten bekommt. Alles darüber hinausgehende hat keinen positiven Effekt aufs Wohlbefinden und die Psyche, wenngleich aufs Bankkonto.
Aber die Frage, wie man von acht Stunden Arbeitszeit pro Woche leben soll, war ja nicht der Gegenstand der Studie. Hintergrund ist eher die fortschreitende Automatisierung, die Arbeitsplätze einspart. Allerdings gab es schon in den 1930ern Prognosen, dass in hundert Jahren – also 2030 – drei Stunden Arbeitszeit pro Tag völlig reichen würden, weil Maschinen den Rest erledigen. Ob das eintritt, scheint zumindest zweifelhaft. Das Problem solcher Vorhersagen ist, dass Kräfte, die man noch gar nicht kennen kann, mitwirken und einem das schöne und eingängige Ergebnis einfach kaputtmachen.
Das Ergebnis der jüngsten Studie ist natürlich Wasser auf den Mühlen von Tom Hodgkinson, der in London die Zeitschrift "The Idler", der Müßiggänger, samt angeschlossener Akademie gegründet hat. Dieser Mann ist nicht fürs Faulenzen an sich, sondern eher dafür, seine Zeit für schöne und sinnvolle Dinge zu nutzen, wie es dereinst vielleicht ein Landadeliger des 18. Jahrhunderts konnte. Auch hier bleibt die Frage nach der Finanzierung erstmal offen, aber man wird ja träumen dürfen. Oder man schaut in Hodgkinsons Buch "Business for Bohemians", dessen Titel wir Ihnen sicher nicht übersetzen müssen. Er hat auch einen Leitfaden für faule Eltern geschrieben.
Sprachecke: Wir gucken in den Mond
Bald ist Vollmond, eine nicht gerade seltene Erscheinung, die trotzdem immer etwas Magisches hat. Oder finden Sie nicht? Dieses silbrige Licht, die Struktur auf dem "Mondgesicht", die unsere Fantasie nicht nur als Kinder beschäftigt ... und, ja, auf den Schlaf hat unser Nachbar da oben auch Auswirkungen, jedenfalls bei sensiblen Naturen. Wenn Sie also des Öfteren Gelegenheit haben, auf den Vollmond zu starren, während alle anderen schlummern, gehören Sie dazu. Kommt es dagegen eher selten vor, vielleicht sogar nur "once in a blue moon", dann haben Sie Glück. "Einmal im blauen Mond" ist eine etwas rätselhafte Redewendung, die schon im 16. Jahrhundert nachgewiesen wird und bedeutet: sehr selten bis niemals. Alle Erklärungsversuche für dieses Sprachbildr überzeugen nicht so recht, sieht man davon ab, dass ein blauer Mond tatsächlich sehr selten bis niemals am Himmel steht.
Nach einer ganz anderen englischen Redewendung besteht der Mond aus grünem Käse. Bedeutung: Wenn jemand glaubt, "the moon is made of green cheese", dann glaubt er oder sie alles. Auch diese Formulierung ist schon in Texten aus dem 16. Jahrhundert nachzulesen, wobei sich das "grün" nicht auf die Farbe, sondern das Alter des Käses beziehen soll. "Green cheese" ist junger Käse. Aber glauben Sie uns, der Mond ist auch nicht aus gereiftem Käse!
Wer "moonstruck" ist, hat seine Sinne nicht beieinander und ist vom Mond sprichwörtlich in Bann geschlagen – wir haben das Wort "mondsüchtig" für diesen Zustand. Im Englischen gibt es sogar einen direkten sprachlichen Bezug zur "lunacy", Geisteskrankheit, denn da steckt das lateinische Wort "luna" für Mond drin. Dieser Zusammenhang stammt aus einer Zeit vor der Entwicklung der Psychiatrie, vermuten wir mal, als zur Erklärung mancher Phänomene nur der Aberglaube zur Verfügung stand. Nicht zuletzt sind ja auch Werwölfe Kinder des Vollmondes.
Sehr viel schöner erscheint uns die Redewendung "over the moon". Wenn jemand "über dem Mond" ist, dann freut er sich sehr und ist überglücklich. Wer dagegen jemandem den Mond verspricht, "promise the moon", der verspricht Unmögliches, und wer nach dem Mond weint, "cry for the moon", der kann das auch bleiben lassen, weil es keinen Sinn hat.
Zum Schluss noch ein Wort, das Sie garantiert nie brauchen werden: "mooning", monden. Wer sowas macht, behelligt andere, indem er sein unbekleidetes Hinterteil vorführt, gern im fahrenden Auto vor der Heckscheibe oder volltrunken im Fußballstadion.
Ein deutlich erfreulicherer Anblick ist übrigens die große und sehr realistisch gestaltete Mondskulptur, die derzeit im Natural History Museum zu bewundern ist. Unser treuer Begleiter ganz nah!
www.nhm.ac.uk/visit/exhibitions/museum-of-the-moon.html
Rezept des Monats: Gebratene Radieschen
Trotz seiner auffälligen Farbe hat das britische Radieschen viele Jahre lang ein Schattendasein gefristet. In Salaten war es unüblich, beim Kochen höchstens in fernöstlich inspirierten Gerichten zu finden (was auch gut passt, denn dieses Gewächs stammt aus Asien und ist erst im 16. Jahrhundert in Europa eingewandert). Graubrot mit Butter, Radieschen und Schnittlauch, eine der großen Delikatessen der Menschheit – in Großbritannien total unbekannt! Nun hat sich das aber geändert, und plötzlich begegnet man der hübschen Roten viel häufiger in Salatschüsseln, vor allem in Kartoffelsalat, der sich auch zunehmender Beliebtheit erfreut, und in Restaurants solo als kleine Vorspeise mit Olivenöl und Salz zum Dippen (was sicher figurfreundlicher ist als Weißbrot). Und: als gebratene Beilage zu Fisch und Fleisch. Denn hier können wir wiederum etwas von den Briten, denen wir dafür gern den Radieschenbrottipp weitergeben, lernen – die kleinen Rettiche schmecken auch nach dem Garvorgang sehr lecker, weniger scharf, dafür sanfter und irgendwie rübiger, wenn Sie die Wortkreation verzeihen. Versuchen Sie mal diese Variante: einen Esslöffel Butter und ein wenig neutrales Öl zusammen in einer Pfanne erhitzen. Für vier Personen etwa 400 Gramm Radieschen – geputzt, aber ganz – hinzufügen und zehn bis fünfzehn Minuten unter Wenden braten. Sie sollen runzelig und ein bisschen weich werden. Sind die Radieschen besonders groß, halbiert man sie vor dem Braten. Zum Schluss noch etwas Butter hinzugeben, mit ganz wenig Zucker, grobem Salz und etwas Zitronensaft abschmecken; wer will, streut Schnittlauch oder Petersilie darüber. Schmeckt sehr gut zu gegrilltem Fleisch oder Lachs, aber auch einfach so.