Netter Zug
Manchmal hilft nur: fröhlich bleiben. Als der "Caledonian Sleeper" – ein Nachtzug von London nach Schottland und retour – Ende April seine nagelneuen Waggons auf die Jungfernfahrt schickte, ging ganz viel schief. Die Buchungen waren durcheinander, ein Teil der Betten war nicht bezogen, ein Fahrer fiel aus, drei Stunden Verspätung! Außerdem hatte die Kaffeemaschine keinen Strom, und fürs Frühstück fehlte die Butter. Und? Wenn wir der Zeitung "Guardian" glauben dürfen, war die Stimmung prächtig. Das lag erstens am schicken Design, das den Leuten gut gefiel (und das man sich ja gern mal drei Stunden länger anschaut). Zweitens – und sicher wichtiger – war das Personal mit Nerven wie Drahtseilen ausgestattet und blieb unerschütterlich freundlich, suchte nach Lösungen, lächelte viel, ließ die Leute nicht im Stich und organisierte am Schluss noch Taxis für jene, die ihre Anschlüsse verpasst hatten. Fazit: Wir machen alles mit, wenn man uns gut zuredet, unsere Sorgen versteht und am Ende vielleicht die Taxirechnung übernimmt ... Muffelt uns der Schaffner, der natürlich selbst unter Stress steht, aber auch noch an, dann kippt die Stimmung ins Bodenlose. Übrigens dürfen Jungfernfahrten gern misslingen (nur nicht so gründlich wie bei der Titanic, versteht sich), denn aus Fehlern kann man lernen und zum Beispiel mehr Butter kaufen und das Buchungssystem überarbeiten.
Reisen im Schlafwagen haben ja ihren ganz eigenen Reiz. Falls Sie also einmal den Caledonian Sleeper buchen möchten:
www.sleeper.scot Die Wagen haben jetzt teilweise Privatbäder und Doppelbetten, aber wer aufs Geld gucken muss, kann auch im Sitzen reisen und (neu!) sein Gepäck sicher wegschließen.
Sprachecke: Nichts zu verlieren
Niemand möchte ein Verlierer sein, wie auch immer man den Begriff definieren will. "Du Loser!" zählt zu den auf Schulhöfen üblichen Schimpfworten (ist aber inzwischen, man muss es leider sagen, noch eine der zahmeren Varianten). Manchmal wird es auch irgendwohin geschmiert, auf die Wände von Kneipenklos zum Beispiel oder in soziale Netzwerke – und dann meistens falsch. Nämlich "Looser". Neulich haben wir sogar in einer deutschen Werbung "win or loose" gelesen, und das ist genauso falsch.
To lose, verlieren, schreibt sich immer und grundsätzlich mit nur einem O. Dabei wird das S weich gesprochen – "luhs". Zwei O verschärfen das S und ändern die Bedeutung ganz erheblich: "loose" (Aussprache "luhss") ist kein Verb, sondern ein Adjektiv und heißt: locker und, hier wird die Verwandtschaft zum Deutschen deutlich, lose. Das Verb dazu: "to loosen", lockern. Ein hämisch hingeschriebenes "looser" bedeutet demnach nicht "Verlierer", sondern "lockerer". Was sich vielleicht auf die Schraube im Kopf des Schreibers bezieht ... nein, das nehmen wir zurück, wir wollen es ja besser machen und respektvoll bleiben. Aber den Ausdruck "to have a screw loose" gibt es tatsächlich auch im Englischen.
Da wir alle im Leben das eine oder andere verlieren und leider auch manche Wegbegleiter, kommt "lose" in vielen englischen Redewendungen und Ausdrücken vor. Manche entsprechen unseren, andere nicht. "To lose heart" zum Beispiel heißt nicht etwa sich verlieben, sondern: den Mut verlieren. "Es" zu verlieren wie in "He lost it" bedeutet dagegen: durchdrehen, die Nerven verlieren. Passiert das öfter, hat man vielleicht seine Murmeln verloren: "She lost her marbles" meint – wiederum etwas respektlos –, dass sie "nicht alle Tassen im Schrank" hat. Viel harmloser ist es, sich zu verzählen ("to lose count") oder sich gelegentlich zu verlaufen: "we got lost", während "get lost!", aber leider "hau ab!" heißt. Das Hauptwort zu "lose" ist übrigens "loss", der Verlust.
Jetzt kommen wir noch zu "loose". Kleidung kann "loose" sitzen, ein Zusammenhang "loose" sein. Genau wie bei uns. Eine beliebte tägliche Talkshow im britischen Sender ITV heißt "Loose Women". Früher wäre das glatt eine Beleidigung gewesen, weil es ursprünglich bedeutet: moralisch zweifelhafte Frauen oder, wie man im Deutschen dereinst zu sagten pflegte, "lose Frauenzimmer". Der Titel ist ironisch gemeint und spielt wohl eher auf das lose Mundwerk des Damenquartetts an, das auch heikle Themen aufgreift und sich nicht vor einer lebhaften Diskussion scheut.
Alles in allem wäre es schön, wenn uns der "Looser", aber auch der korrekt geschriebene "Loser" verloren gingen, sozusagen, und nicht mehr zur Alltagssprache gehörten. Denn immer zu den Gewinnern zählen zu müssen, ist ganz schön anstrengend. Das merken auch die coolen Kids vom Schulhof irgendwann.
Rezept des Monats: Spargel mit Gnocchi
Jetzt ist Spargelzeit. Das heißt in Großbritannien: Zeit für grünen Spargel. Die weiße Variante, bei uns so heiß geliebt, ist drüben – wie in den meisten Ländern – selten bis unbekannt. Wir haben sie zwar schon gelegentlich gesehen auf Bauernmärkten, aber sie scheint nicht gerade ein Verkaufshit zu sein. Grüner Spargel dagegen liegt jetzt in allen Supermarktregalen und steht auf den Speisekarten. Er wird manchmal nur mit geschmolzener Butter gegessen, meist aber kombiniert, mal mit Fleisch, mal mit Fisch, mal mit anderem Gemüse, aber eigentlich nie mit Schinken wie bei uns. Sehr lecker ist diese Variante mit Gnocchi, den italienischen Kartoffelklößchen, die es überall fertig zu kaufen gibt (wir haben einmal versucht, sie selbst herzustellen, aber das war erstens viel Arbeit und schmeckte zweitens nicht mal auffällig besser – aber wir wollen Sie nicht entmutigen, wie gesagt, Selbermachen ist ganz toll!). Von der englischen Fernsehköchin Nigella Lawson stammt der Tipp, sie nicht zu kochen, sondern in Öl zu braten. Sie nennt sie "mini roasties", eine Art Miniversion der in Großbritannien so beliebten Röstkartoffeln. Tatsächlich werden sie ganz knusprig. Also: Für vier Personen eine 500-Gramm-Packung Gnocchi in heißem Olivenöl, dem ein Spritzer neutrales Öl beigefügt wurde, braten. Sie sind fertig, wenn sie eine hellbraune Kruste bekommen. Aus der Pfanne nehmen und warm stellen. Inzwischen von 500 Gramm grünen Spargel die Enden abschneiden und am unteren Ende, wenn nötig, ein wenig schälen (meistens kann man sich das aber schenken, das ist ja der Vorteil gegenüber weißem Spargel). Den Spargel in zwei bis drei Zentimeter lange Stücke schneiden. Zwei Knoblauchzehen schälen und in feine Scheiben schneiden, dabei den grünen Keim entfernen. Eine Handvoll getrockneter Tomaten in Streifen schneiden. Nun noch ein bisschen mehr Öl in die Pfanne geben und wieder heiß werden lassen. Die Knoblauchscheiben anbraten, dann die Spargelstücke dazugeben und bei mittlerer Hitze braten. Das dauert nur ein paar Minuten. Jetzt die Tomatenstreifen dazugeben und kurz mitbraten. Die Gnocchi zurück in die Pfanne kippen, alles gut vermengen und auf Wunsch noch etwas Öl hinzufügen. Mit frisch geriebenem Parmesan bestreuen und heiß servieren. Geröstete Pinienkerne passen auch sehr gut dazu.